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Herzog Rudolfs Vorschriften für die Gottesdienste an St. Stephan

Reinhard Strohm

Die Jahrtagsstiftung Rudolfs IV. von 1363 sieht drei tägliche Messen („Ämter“) auf den Hauptaltären des Kapitels vor: eine Marienmesse am Morgen auf dem Marienaltar, ein Hochamt auf dem Fronleichnamsaltar über der fürstlichen Grablege (im Mittelchor), und die Messe des Tages auf dem Fronaltar (Hochaltar).[26] Die Zeremonien – Öffnung der Altarbildtafeln, Ausstellung der Heiltümer, Anzünden von Kerzen, Prozession mit Fahnen, Kreuz und Windlichtern, Glockenläuten – waren nach dem Festrang differenziert; an den Festen derjenigen Heiligen, die in der Kirche bestattet waren, sollte die Orgel zu Vesper und Hochamt spielen und mit der „großen und kleinen Glocke“ geläutet werden. An Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Allerheiligen, Kirchweih, Fronleichnam gab es mehr Kerzen (allein 24 auf dem Herzogsgrab). Man musste alles Heiltum (Reliquien) auf den Altar stellen und „überall die kirchen zieren mit der schonsten gezierd so si habent“. Alle Tagzeiten (Stundengebete) sowie die tägliche Messe sollte man „singen in der Orgel“, und zur Messe läuten mit allen Glocken, „so man schönste mag“. Am Fronleichnamstag wurden alle verfügbaren Reliquien, Fahnen, Baldachine, 30 Kerzen und 10 Windlichter in der Stadt umhergetragen; an dieser Prozession teilnehmen mussten alle Pfarrer, Klosterleute, Kapläne, alle Priester sowohl aus der Stadt als auch den Vorstädten, einschließlich der Deutschherren von St. Johann, der „Heiliggeister“ und „Spitaler“. Sie sollten „mit all irr Schönesten gezierd, die sie habent“, nach St. Stephan kommen und mit der Prozession umgehen.[27]

Im „großen“ Stiftbrief vom 16. März 1365 (zur Unterscheidung vom „kleinen“ Stiftbrief desselben Datums) werden die Pflichten und Gehälter der Ausführenden sowie die zugrundeliegenden Besitzrechte genauer aufgeschlüsselt.[28] Hauptzweck der gesamten Stiftung blieb das Totengedächtnis für den Herzog und seine Familie. Eine besondere Pfründe diente zur Entlohnung der Priester mit Speise und Trank, „dass sie den Jahrtag unseres Todes begehen“.[29]

Dazu kamen Kleiderordnungen, die Festlegung der Standorte der Priesterschaft in der Kirche und die Verteilung der Messen auf Probst, Chorherren und Kapläne. Das Quantitative war von großer Bedeutung: Der Dechant musste darauf achten, dass in der Kirche täglich insgesamt 51 Messen gesungen oder gesprochen wurden, wovon keine ausgelassen werden durfte. Sicher wurde die Mehrzahl nur gesprochen. Jedoch gab es auch Vorschriften für Gesang und Orgel. Am Ende der Tagzeiten, die „mit lauter und hoher Stimm“ zu singen waren, sollte „mit einem hellen Gesang“ eine Marienantiphon erklingen, die nach Vesper, Mette und Non die Antiphon Salve regina war. Auch die drei täglichen Messen auf den Hauptaltären sollten mit „lauter und hoher Stimm“ gesungen werden.[30] Für die Messen wurde die Mitwirkung von Schülern verlangt: 24 bei zwei täglichen Hochämtern, mindestens 13 bei den anderen Hochämtern und Vespern. Die „Meister, Studenten und Schuller“ hatten an den Prozessionen von acht Hauptfesten teilzunehmen: Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Allerheiligen, Allerseelen, Mariae Scheidung (Himmelfahrt), Fronleichnam und dem herzoglichen Jahrtag. Hier musste „der Schullmeister der grossen Schull mit ganzer Universitaet […] bey sein und helfen zu singen und umzugehen“.[31] Wichtig war dem Stifter, dass alle dabei waren, einschließlich der soeben gestifteten Universität. Die Beteiligung der Universitätsmitglieder an den Prozessionen war gleichsam Teil der Stiftung selbst (vgl. Kap. Kirche und Universität).

Die Pflichten des Kantors umschreibt der Stiftbrief folgendermaßen:
„Er soll auch innhaben die Orgell und damit orden[tlichen] göttlichen Dienst zu begehen und achten, dass das Gesang zu göttlichen Dienst ordentlichen, gänzlichen und löblichen vollbracht werde, so man immer pest [am besten] und schenst [am schönsten] mag [kann], wann des unser Erlöser, der allmächtig Gott wohl werth ist, und soll auch die Processe [Prozessionen] richten und ordnen, dass die allzeit ordentlichen vollbracht werde.“[32]
Bei den Prozessionen unterscheidet der Stifter genau zwischen solchen, die in der Kirche bleiben und solchen, die „in die Statt“ gehen (vgl. » A. SL Prozessionen).

[26] Zur Lokalisierung der Altäre und Kapellen vgl. Perger/Brauneis 1977, 61–63. Ich danke Prof. Barbara Schedl herzlich für Beratung in dieser Hinsicht.

[27] Ogesser 1779, 80–82. Vgl. die Aufzählung der Prozessionsteilnehmer aus einem Liber ordinarius von St. Stephan (» A-Wn Cod. 4712): » E. SL Fronleichnamsprozession.

[28] Zschokke 1895, 30–46; Flieder 1968, 254–266.

[29] Zschokke 1895, 33.

[30] In den kirchlichen Dienstvorschriften wurde traditionell das lateinische Äquivalent „alta voce“ verwendet.

[31] Zschokke 1895, 37.

[32] Zschokke 1895, 40.