Sie sind hier

Heiligenverehrung im österreichischen Raum

David Merlin

Musik nahm eine wichtige Rolle bei der Verehrung von Heiligen ein.[1] In Kirchen, Klöstern und anderen sakralen Stätten wurden zu Ehren der Heiligen sowohl die Messe als auch das Stundengebet gesungen. Es wurde auch im Rahmen von Prozessionen sowie von anderen Kultusakten, wie z. B. der Vorzeigung von Reliquien, gesungen. In den vorliegenden Abschnitten werden bedeutende Aspekte der Produktion, Überlieferung und Aufführung von einstimmigen liturgischen Gesängen (Gregorianischer Choral) im Kontext der Heiligenverehrung dargelegt werden, die im österreichischen Raum im (Spät-)Mittelalter und in der Frühneuzeit zu beobachten sind.

Das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Österreich war in der innerhalb dieses Projektes untersuchten Zeitspanne in etliche Diözesen unterteilt. Den größten Teil nahmen die Erzdiözese Salzburg und die ihr unterstellten Bistümer Passau und Brixen/Bressanone ein. Der östliche Teil (ungefähr das heutige Burgenland) unterstand der Diözese Raab/Györ. Vorarlberg und Tirol gehörten nicht nur zum Bistum Brixen, sondern auch zu den Sprengeln von Chur, Konstanz, Augsburg und Freising. Der südlichste Streifen von Kärnten lag im Bistum (Patriarchat) Aquileia. Innerhalb des Sprengels der Erzdiözese Salzburg wurden im Laufe des Mittelalters vier „Eigendiözesen“ gegründet, die direkt dem Erzbischof (Metropolit) von Salzburg unterstellt waren: Gurk (1072), Chiemsee (1216), Seckau (1218) und Lavant (1228). Auf den Gebieten der Diözese Passau bzw. der Erzdiözese Salzburg wurden im Jahr 1469 die Bistümer Wien und Wiener Neustadt gegründet. Solch eine Unterteilung war von administrativer Bedeutung; sie spiegelte sich aber auch in den lokalen liturgischen Gepflogenheiten wider. In erster Linie ist dies in der Verehrung der jeweiligen Diözesanschutzpatrone zu erkennen. Dazu kommen noch die regional bzw. lokal verbreiteten Heiligenkulte.

Über den Kultus für Diözesan-, Regional- und Lokalheilige sind bereits zahlreiche Veröffentlichungen vorhanden, die den kultur-, liturgie- oder musikwissenschaftlichen Aspekt jeweils untersuchen und hervorheben.[2] In den folgenden Abschnitten werden die für die Musikgeschichte wichtigsten Heiligenverehrungen miteinbezogen.

[1] Marienverehrung sowie Herrenfeste werden in dieser Abhandlung nicht mit einbezogen.

[2] Groß angelegte Werke sind z. B. Grabmayer 1994 (zur Heiligenverehrung siehe besonders S. 74–118) und Frankl/Tropper 2001. Zu den politischen Aspekten siehe Lammer 2000.