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Beziehungen nach Burgund, Augsburg und Sachsen

Nicole Schwindt

Im Westen des Reichs bestanden über die Zwischenstation der Vorlande, das heißt den größeren und kleineren tirolischen bzw. habsburgischen Streubesitz zwischen der weit nach Norden ausgreifenden Diözese Konstanz und der Bodenseestadt selbst, dem südlichen Oberrhein mit der Universitätsstadt Freiburg sowie dem Elsass, genealogische und topographische Brücken nach Burgund. Für maximilianische Sängerknaben, so auch den späteren Liedkomponisten Adam Rener, war es eine Alternative, statt wie Senfl nach Wien zum Studium nach Burgund (vermutlich an die Alma mater Dôle) geschickt zu werden. Franko-flämische Sängerkomponisten waren schon in der kaiserlichen Kapelle vertreten, bevor dank Maximilians Heirat mit der Tochter Karls des Kühnen 1477 eine dynastische Verbindung zwischen Habsburg und dem Herzogtum Burgund hergestellt war (» F. Musiker aus anderen Ländern). Immer wieder scheinen teils unentwirrbare Verknüpfungen zwischen deutschen Liedern und den Namen habsburgisch-burgundischer Sängerkomponisten auf (Johannes Tourout, Jean Puilloys, Nicolas Champion, Jacques Barbireau, Noël Bauldeweyn), die die Durchlässigkeit der Landes- und Sprachgrenzen erkennen lassen. Die bekannteste Figur ist indes Heinrich Isaac (» G. Henricus Isaac), dessen beachtliches Liedschaffen verhältnismäßig klar, wenngleich nicht widerspruchsfrei dokumentiert ist. Der Südniederländer war schon 1484 bei Erzherzog Sigismund in Innsbruck anzutreffen und zeichnete sich ein gutes Jahrzehnt später als Maximilians Hofkomponist aus.

Seit 1488 bildete der Schwäbische Bund eine institutionalisierte Klammer, die so verschiedene Räume wie Tirol, Württemberg und die Reichsstadt Augsburg in offizielle Tuchfühlung brachte;  nach 1500 traten noch andere wie das Herzogtum Bayern-München oder die Reichsstädte Nürnberg und Straßburg bei (um nur liedgeschichtlich markante Standorte zu erwähnen). Augsburg war Maximilians bevorzugter Aufenthaltsort, nicht zuletzt deshalb, weil es als eine der wichtigsten Druckmetropolen des Reichs seinen medialen Interessen entgegenkam. Auch das Lied wurde hier vom kurzzeitig regen Musikaliendruck zwischen 1507 und 1517 in eine neue Dimension katapultiert.[4] Dem kam auch zugute, dass Maximilians Musiker nach 1490 oft für längere Perioden in Augsburg einquartiert, einzelne teils ausdrücklich ansässig waren, so dass ein großer Teil der Liedproduktion und -überlieferung hier ihren Ausgang nahm. Obwohl Bayern und Tirol im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts einen Höhepunkt ihrer politischen Rivalität erlebten, blieb die alte kulturelle und wirtschaftliche Nähe des Alpenvorlands und des „Lands im Gebirge“ erhalten, wobei der Transitweg nach Italien ein Lebensnerv beider Parteien war. Innsbruck, Verwaltungssitz der niederösterreichischen Länder, wurde somit ein wichtiger Residenzort und übernahm nach 1490 diese Rolle von der Donaustadt Linz.

Wie stark persönliche Kontakte regionale Bedingtheiten überwölben können, illustriert die Tangente Habsburg – Sachsen. Nachdem bereits die musikliebende Katharina von Sachsen 1484 Ehefrau des Kaiser-Vetters Sigismund von Tirol geworden war, hielt sich ihr Cousin Kurfürst Friedrich der Weise als Hofrat und Statthalter seines Großonkels König Maximilians zwischen 1494 und 1498 in dessen Hoflager und somit gleichfalls anhaltend in Tirol auf; auch begegneten sich beider Hofkapellen zum Beispiel auf dem Freiburger Reichstag 1498. Aus diesen Jahren sind Kontakte Kurfürst Friedrichs zu Paul Hofhaimer (» I. Hofhaimer) belegt, die zudem wahrscheinlich machen, dass auf diesem Wege die im süddeutschen Raum von nun an omnipräsenten Lieder Adams von Fulda, der seit 1489 an Friedrichs Hof bedienstet war, in den süddeutschen Raum gelangten. Eine kontinuierliche Liedpflege beginnt in den 1490er Jahren und ist mit der Regentschaft Maximilians verknüpft.

[4] Es handelt sich um die RISM-Nummern 1512/11513/2[1513]/3, [1513]/3 (1517 in Mainz erschienen) und [1519]/5 (als xylographischer Reprint eines verschollenen um 1510 in Augsburg publizierten Liederbuchs 1514/1515 gedruckt, s. Schwindt 2008).