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Feiern zu politischen und kirchlichen Ereignissen

Reinhard Strohm

Die Stadt Wien benutzte Musikaufführungen sowohl für wiederkehrende als auch unvorhergesehene Anlässe, und zwar ohne die letzteren im Aufwand zu benachteiligen. Dies scheint deshalb bemerkenswert, weil kostspielige Repräsentation zu unerwarteten Anlässen das Jahresbudget überlasten konnte. Man half sich zwar mit Sondersteuern, Anleihen, Pfandhandel und Verkäufen, doch die Stadtkasse war im 15. Jahrhundert öfters leer, und in Kriegszeiten musste man reguläre Feste manchmal mit weniger Ausstattung feiern oder ganz übergehen. Freudenfeuer, wie sie 1438 abgehalten wurden (» Kap. Königswahl und Freudenfeuer), sind in Wiener Stadtrechnungen der Zeit sonst nicht erwähnt. Zwei Stadttrompeter – ab 1457 meistens drei – waren jedoch ständig besoldet. Messen für Zwecke des Rats und festliche Prozessionen für öffentliche Ereignisse gab es so gut wie immer.

Viele Zeremonien zu politischen Anlässen wurden von den Fürsten angeordnet. Als im Jahre 1417 das Konklave des Konstanzer Konzils Papst Martin V. erwählt und damit das päpstliche Schisma beendet hatte (» F. Musikalische Internationalität), berichtete der Wiener Theologe Nikolaus von Dinkelsbühl in einer Predigt, dass man auf Befehl von Herzog Albrecht V. in allen Wiener Kirchen die Glocken geläutet und zwei Tage lang feierliche Dankmessen zelebriert habe. Unter dem Jubel der Gläubigen sei in einer Kirche (St. Stephan) an acht verschiedenen Orten gleichzeitig das Te Deum gesungen worden, unter Teilnahme jeder Art musikalischer Instrumente (“in una ecclesia simul in octo locis cantabatur Te deum laudamus humanis vocibus, iuncto omni genere musicalium instrumentorum”). Am dritten Tag gab es eine feierliche Prozession des gesamten Klerus und der Universität zu den Kirchen mit vielen Messfeiern, an denen der Fürst mit seinem ganzen Hof und den Stadtbewohnern teilnahm.[15]

Politisch-dynastische Ereignisse akzentuierte der Stadtrat wohl auch aus eigener Initiative mit Musik. Im Jahre 1440 veranstaltete man gesungene Messen mit Orgelspiel, weil der Bürgermeister nach Bruck (a.d. Leitha) reiten musste und die Stadträte an einer Verhandlung in Hainburg teilnahmen (“als die Herrn in haynburgk in tayding sein gestandenn”: 1440, fol. 96v bzw. 97r. Städtische Teilnahme an politischen Verhandlungen (“taydingen” oder “pantaydingen”) ist mehrfach belegt. 1435, als ein solches Treffen im Werder vor Wien gehalten wurde, beherbergte der Stadtrat “die herrn von venedij und hern Caspar sligk” (Kaspar Schlick, Sekretär des Königs); für das Festbankett und ein nachfolgendes Essen (“nachtayding”) wurden über 55tl. ausgegeben, was vermutlich musikalische Unterhaltung einschloss (1435, fol. 47v). 1441, im Zusammenhang mit Adelsaufständen gegen Friedrich III., empfing man Söldner zurück von ihrer Kampagne gegen die Burg Idungspeugen (Jedenspeigen) im Marchfeld und führte die Trompeter des Königs in der Stadt umher; auf der Freyung wurden die Glocken geläutet (1441, fol. 110r). 1451 offerierten die Wiener ein opulentes Bankett zu Verhandlungen zwischen Friedrich III. und seinem verfeindeten Bruder Albrecht VI., mit Trompetern sowohl des Königs als auch der Stadt (1451, fol. 69v–71r). 1459 entlohnte die Stadt die aus Wiener Neustadt eintreffenden Boten mit der Freudennachricht der Geburt von Kaiserin Eleonores Sohn Maximilian: Die Boten waren zwei Pfeifer und ein Posaunist (1459, fol. 34v).[16]

[15] Sommerfeldt 1905, 324; Schusser 1986, Nr. 52, S. 76 (Meta Niederkorn-Bruck).

[16] Weitere Festlichkeiten mit Glockenklang sind zusammengestellt bei Czernin 2011, 106-108.