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Fastnacht

Reinhard Strohm

Die Wiener Stadtrechnungen erwähnen Tanzveranstaltungen zur Fastnacht (Karneval) sehr selten – sicher nicht, weil nicht gefeiert worden wäre, sondern weil sich der Stadtrat nicht dafür verantwortlich fühlte. Berühmt war hingegen die städtische Fastnacht in Hall i.T., die von auswärtigen Gästen oft besucht wurde; sie ist seit Beginn der überlieferten Stadtrechnungen (1411) regelmäßig erwähnt.[52] Jedes Jahr veranstaltete der Stadtrat an den drei letzten Tagen der Fastnachtsperiode (Sonntag, Montag und Dienstag vor Aschermittwoch) Tanzveranstaltungen im Rathaus, dessen zweites Stockwerk als “Tanzhaus” bezeichnet wurde. Hierzu waren die Bürgerschaft und auswärtige Gäste eingeladen. (1467 mischten sich auch einige Priester in Verkleidung mit einer Laute unter die Tanzenden).[53]

Schon im ersten erhaltenen Raitbuch (Rb. 1, 1411, fol. 53r) werden zwei Pfeifer mit je 3 lb. bezahlt (“fistulatoribus in carnisprivio 6 lb.”).
1412 sind es anscheinend drei Musiker (“pfeiffern zur vasnacht 8 lb.”, fol. 68r).
1425 erhalten die “phawffer” (Pfeifer) Rölln und Jörgen der Gädl zusammen 7 lb., der “Lautenslager” Schicklein 18gr. (1425, fol. 28r).
1426 sind nur Rölln und Schicklein erwähnt; sie erhalten zusammen 7 lb. “als sy die vasnacht zum tantz gedint habent” (1426, fol. 57v).
1429 bezahlt man 8 lb. an “jörgen Gädl und seinen geselln de pfawffern als sy der stat ze vasnacht auff dem haws tantz gemacht habent” (1429, fol. 97v).
1430 gibt es wiederum 8 lb. für Rölln, Phrösser und Jörgen Gädlein “als sy der stat ze vasnacht auf dem haws zum tantz gedint habent” (1430, fol. 110r).[54] 

Auch Kerzen wurden vom Stadtrat bereitgestellt; in jeder Fastnacht kosteten sie zwischen 9 und 16 gr. In späteren Jahren wurde auch Wein bezahlt.

Die Stadtrechnungen belegen bereits 1426 auch Fastnachtsspiele: “item von zwain pün und gerüsten ze zwain spieln ze vasnacht zum […] haws ze fürn ze tragen und ze machn 7 lb. 7gr.” (um zwei Bühnen und Gerüsten für zwei Spiele zur Fastnacht zum Rathaus zu transportieren und aufzustellen).[55] 1451 heißt es, diesmal zu einem geistlichen Spiel: “Maister pritzin und sein gesellen haben verzert alsi sy die pun am affortag [Bühne am Himmelfahrtstag] zu dem spil auff der stat garten gemacht haben auch das man ausgebn hat umb wein damit man die frowen geert hat bringt alles 5lb 3gr 3f.”[56] Bei solchen Darbietungen, besonders unter freiem Himmel wie in diesem Fall im Rathausgarten, war die Mitwirkung von Stadtmusikanten wohl erwünscht.

Wahrscheinlich waren an den Haller Festen öfters auswärtige Musiker beteiligt; so schenkte man 1432 ein “trinkgelt” von 5 lb. an “des jungen herzog fridreichs” […] “pfeiffern und trummettern, als man hie auf dem haws vor vasnacht tantzet” (Rb. 1, 1430, fol. 141r).[57]

Als Beispiel für die Entfaltung der Festpraxis diene ein Auszug der Rechnung von 1451 (» Abb. Haller Raitbuch von 1451):

Abb. Haller Raitbuch von 1451 (Raitbuch 3, 1451, fol. 7v)

Abb. Haller Raitbuch von 1451

Stadtarchiv Hall i.T. (A-HALs), Raitbuch 3, 1451, fol. 7v. Mit Genehmigung des Stadtarchivs.

„Item man hat ausgeben das man verzert hat Als man etleich tag vor vasnacht als Insprugkerin[nen] hie gewesen sind auch als die jungen gesellen gestochen haben und etleich ander tag auf dem haws getanczt hat Auch die drey tag In der vasnacht an wein und kerczen und ist manikleich geert [geehrt] Arm und reych auch als die phlegerin auf die vasnacht geladen was Darauf ir gen [ein] kuchin geschaffen und doch nicht komen ist Das doch nach geschafft meiner herren von ettleichen jungen gesellen die darczu geschaffen sein verczert ist hat alles pracht in ainer sum 44 lb. 10 gr. 4 f.“
.
 
“Item man hat geben zwain pfeiffern dem Trächsel und dem Schiferlein von dreyn tagen Als sy die vasnacht Suntag mantag ergtag auf dem haws zu Tancz gepfiffen haben 8 lb. perner.”
“Item so hat man geben zwain lautenschlachern und ainem geiger die auch ettleich tancz geschlagen haben die drey tag auch [wie] vor  2 lb. perner.”[58] 
 

Die hier vermerkten Ausgaben bezogen sich auf einen Besuch der Innsbrucker Frauen, auf ein “Stechen” (wohl Ringstechen, ein Geschicklichkeitswettbewerb zu Pferd oder zu Fuß), auf den Fastnachtstanz mit Wein und Kerzen sowie einen für die Gattin des Pflegers von Thaur umsonst gebackenen Kuchen: Als sie nicht kam, wurde er dann auf Weisung des Rats von den jungen Gesellen verspeist. Die Tanzmusik am Sonntag, Montag und Dienstag der Fastnacht wurde hauptsächlich von zwei Pfeifern ausgeführt, teilweise auch von einem leisen Ensemble von zwei Lautenisten und einem Fiedler, die geringer bezahlt wurden, wohl weil sie nicht dauernd beschäftigt waren. Zumindest im Jahre 1462 waren beide Ensembles in vollem Einsatz: “Drey tag vasnacht zwayn lautenslager und den zwayn turmern und einem pauker das sy auf dem haws tantz haben gemacht 10 lb.”[59]

Die Besuche von Innsbrucker Bürgersfrauen zu den Tanzfesten in Hall, und Gegenbesuche der Hallerinnen auf Einladung des Innsbrucker Hofes, waren feste Gewohnheiten in dieser Zeit. Die Stadtrechnung von 1454 erzählt von einem Besuch Herzog Siegmunds mit seiner Gemahlin Eleonore und ihrem Hofstaat zu einem “Freudenspiel” (Fastnachtsvergnügen) mit “armen und reichen” Bürgern der Stadt. Die Herrschaften kamen von Innsbruck auf dem Fluss mit mehreren Schiffen an; Männer und Frauen der Stadt Hall gingen ihnen an die Schiffslände entgegen; danach war der Herzog mit den Hofdamen und der Herzogin auf das Rathaus zu Tanz und Bankett geladen.[60]

Auch außerhalb der Fastnachtszeit gab es immer wieder Tanzveranstaltungen; so z.B. vermerkte der Stadtkämmerer zum 15. Juli 1454 (Fest der Divisio Apostolorum): “als die frawen auf dem haws getantzt haben an der zwelfpoten scheidung tag verzert 12 mas weins yedes mas 8f. facit 1 lb. 7kr. 1f.”[61] Weitere Belege für Hall i.T., auch zu Tanzfesten und Fürstenbesuchen außerhalb der Fastnachtszeit, hat Walter Senn gesammelt.[62]

In der Regierungszeit Maximilians I. nahm die Bedeutung der Stadt Hall für Hoffeste eher noch zu (ebenso wie die finanzielle Bedeutung der Haller Saline). Maximilians Innsbrucker Hochzeit mit Bianca Maria Sforza, 1494, und der Staatsbesuch Erzherzog Philipps des Schönen, 1503, veranlassten umfangreiche Festlichkeiten (» I. Music and Ceremony).[63] Der Stadtrat war immer wieder mit Geschenken und Trinkgeldern finanziell beteiligt.

Auch anderswo entwickelte die Stadtverwaltung eine Mitverantwortung für bürgerliche und adlige Feste. Im Jahre 1480 bezahlte der Regensburger Stadtrat “den pfeiffern vnd Trometter ir trinckgelt das wir von Tantzn zu faßnacht”.[64] In Bozen wurden in den Jahren 1512–1513 die bürgerlichen Teilnehmer an den Fastnachtstänzen mit “Tanzgeld” subventioniert: “den jungen puergern in der vasnacht Tantzgelt 1 mr.”[65] bzw. “in der vasnacht den heren und frawn auf befehl ains Rats 5 mr”.[66] Wahrscheinlich sollten hiervon auch die Musiker entlohnt werden. Es handelte sich wohl um Geschenke, bei dieser Gelegenheit, an Jungbürger und auswärtige Gäste. Ob dies schon länger Sitte gewesen war, scheint nicht bekannt.

[52] Senn 1938, 29–30, 104–117. Einzelne Angaben aus den Haller Stadtrechnungen (A-HALs Raitbuch 1-5) sind hier nur mit Jahreszahl und Foliozahl gekennzeichnet; Raitbuch 1 (Rb. 1) umfasst die Jahre 1411–1423; Rb. 2: 1424–; Rb. 3: 1451–; Rb. 4: 1459–; Rb. 5 1468–. Ich bin dem Stadthistoriker der Stadt Hall i.T., Mag. Dr. Alexander Zanesco, für Archivzugang und fachliche Beratung zu herzlichem Dank verpflichtet.

[53] Senn 1938, 104.

[54] Währung: 1 lb. (Pfund) = 12 gr. (Groschen); 1 gr. = 5 f. (Fierer); 1 f. = 4 pn. (Perner, Berner, d.h. Veroneser, Pfennige). 1 lb.= 240 pn.

[55] Raitb. 2, 1426, fol. 57v.

[56] Raitb. 3, 1451, fol. 17v.

[57] Gemeint ist Friedrich V. (geb. 1415), der spätere König Friedrich III. Vgl. auch Senn 1938, 108.

[58] Ich danke dem Stadthistoriker von Hall i.T., Alexander Zanesco, herzlich für Transkriptionshilfe.

[59] Raitb. 4, 1462, fol. 157v.

[60] Raitb. 3, 1454, fol. 111r.

[61] Raitb. 3, 1454, fol. 129r.

[62] Senn 1938, besonders 105–113.

[63] Vgl. die kirchlichen Zeremonien der Waldaufstiftung seit 1496: » D. The Waldauf Foundation.

[64] Green 2006 (Helen Coffey, Stadtpfeifer and Varende Lewte: Secular Musical Patronage in the Imperial Cities of Germany during the Reign of Maximilian I (1486–1519) , unpubl. D.Phil. Dissertation University of Oxford, 2006). Kap. 3, 85, nach Stadtarchiv Regensburg, Cameralia 19, f. 29r. Statt „wir“ ist vielleicht „jar“ (Jahr) zu lesen.

[65] I-BZac, ABZ 1.3, Hs. 181 (1512), fol. 41r.

[66] I-BZac, ABZ 1.3, Hs. 182 (1513), fol. 86r.