Sie sind hier

Frömmigkeitsformen des Adels

Ute Monika Schwob

Dem Adel gelang es früher als anderen Standesgruppen, aus den gemeinchristlichen Frömmigkeitsformen solche für sich auszuwählen und vorwiegend zu pflegen, die seinem Stand angemessen und nützlich schienen. Adelige besaßen die Mittel, durch Stiftungen ihr Gedächtnis sowie das ihrer Ahnen und Nachkommen „für ewige Zeiten“ abzusichern. Sie konnten sich auf ihren Burgen und in Kirchen ihrer Umgebung eigene Kapellen oder wenigstens Altäre mit Patronen ihrer Wahl leisten. Solche Burgkapellen waren oft nur kleine Bauwerke, aber mit einer würdigen, manchmal kostspieligen Ausstattung (» D. Musik in der Burg). Nach Möglichkeit besetzte man sie mit einem Burgkaplan, der für Gottesdienste, Predigten, die geistliche Betreuung der Burgbewohner, insbesondere der Frauen, und für die erste geistige Ausbildung der Kinder zuständig war.

Der Stiftungswilligkeit des mittelalterlichen Adels verdankten Klöster und Kirchen ihre ökonomischen Grundlagen. Zwar haben auch Vertreter der höheren Geistlichkeit und Angehörige städtischer Oberschichten gestiftet; aber erstere stammten fast durchwegs aus dem Adel und Letztere wollten wie Adelige handeln. Im Gegenzug zu ihrer Opferbereitschaft erwarteten die Stifter himmlischen Lohn, abgesichert durch Gebetsverpflichtungen der begünstigten kirchlichen Institutionen, durch feierliche Grablegungen und Grabriten, regelmäßige Gedenkgottesdienste und eine systematische Pflege der memoria des Stifters mit seiner gesamten Familie einschließlich wiederkehrender Kanzelverkündigungen. In Stiftungsurkunden und Testamenten der Stifter einerseits, Nekrologen, Anniversarien oder Jahrtagsverzeichnissen der Bedachten andererseits, wurden die beiderseitigen Leistungen penibel festgehalten und noch im Spätmittelalter als „ewig“ gültig angesehen.

Das Ausmaß einer Stiftung hing vom Willen und Wohlstand des Stifters ab. Fürsten und hohe Adelige konnten naturgemäß mehr investieren als etwa landständische Niederadelige. Letztere stifteten im Spätmittelalter vorzugsweise Kapellen oder Seitenaltäre in Stifts-, Dom- oder Pfarrkirchen. Die eigenständige Patrozinienwahl, die Möglichkeit, ihre Kapelle mit Familienwappen und Stifterbildern auszustatten und dort mit selbst besoldeten Kaplänen, umgeben von ihrer Familie separate Gottesdienste zu feiern, kam ihren adeligen Privilegienansprüchen entgegen. Außerdem schufen die Beziehungen zu Ordensoberen, Dompröpsten oder Pfarrherren, die Nutznießer der Stiftungsgüter waren, eine gute Basis für die Versorgung von jüngeren Söhnen und unverheirateten Töchtern Adeliger. Diese trugen ihrerseits adelige Lebensart in Domkapitel, Stifte und Klöster. Adelige Frömmigkeit hielt sich jedoch nicht nur an das Prinzip „do ut des“ (ich gebe, damit du gibst). Manchmal veranlasste Buße für eine schwere Sünde, einen unangemessenen militärischen Zugriff oder eine krasse Ungerechtigkeit Adelige, Kapellen mit Ewigem Licht auszustatten, Spitäler zu unterstützen oder regelmäßige Almosenvergabe zu spenden.

Kirchliche Stiftungen kamen vielerorts dem liturgischen und musikalischen Leben zugute. Wo eine kunstvolle musikalische Ausstattung der gestifteten Riten vorgesehen war, konnte das mit der Stiftung versprochene Einkommen gleichzeitig bei der Finanzierung musikalischer Ensembles helfen, wie es z. B. in der Nordtiroler Waldauf-Stiftung der Fall war (D. » The Waldauf foundation).