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„Musica, Schalmeyen, pusaunen krumphörner“: Schalmeien, Posaunen und Krummhörner

Martin Kirnbauer

Als „Maister“ des zweiten Musikerwagens des Triumphzugs, „Musica, Schalmeyen, pusaunen, krumphörner“ (» Abb. Triumphzug Bläser), wird Hans Neuschel (ca. 1470–1533) genannt, der aber tatsächlich gar nie festes Mitglied der maximilianischen Hofkapelle war, sondern als Trompetenmacher und Stadtpfeifer in Nürnberg wirkte.[21] So sehr ihn Maximilian offenbar schätzte und oft beim Nürnberger Rat als Musiker anforderte, Neuschel seinerseits war über diese Ehre nicht nur glücklich, musste er doch wegen der Reisen zu Maximilian, die ihn manchmal „lenger dann jar und tag“ beanspruchten, seine übrige Kundschaft vernachlässigen: „das ihm dadurch sein werkstat ganz erniderlegt und er in seinem abwesen von seinem handwerk feiern, dadurch seine kunden und kaufleut verlieren und des, so er mit solchem seinem handel verdienen und erarbeiten mog, empern und allein vil schulden, darein er hievor, als er kais. maj. ein zeitlang nachgeraist sei, muss gewarten“ (Dadurch liegt ihm seine Werkstatt brach und er muss seinem Handwerk fern bleiben, wodurch er Kunden und Kaufleute verliert, und ihm das Geld fehlt, was er ansonsten verdienen würde, und viele Schulden machen muss, indem er dem Kaiser nachreisen muss).[22] Posaunisten wie Neuschel, oder der an anderer Stelle im Triumphzug genannte Hans Stewdl (oder Steydlin), waren Spezialisten, die bei besonderen Gelegenheiten gemeinsam mit den Sängern auftraten. So heißt es beispielsweise 1512 beim Reichstag in Trier, der Kaiser habe „Misse gehoret, die ist discantirt. Darinn mitl zincken vnd basunen geblasen“.[23] Demnach bliesen eine oder mehrere Posaunen die Unterstimmen einer vokal aufgeführten polyphonen Messe mit, während ein Zinkenspieler die Oberstimme spielte und vermutlich auch dazu improvisierte. Auch ist denkbar, dass ein Posaunist einen neuen bzw. zusätzlichen Contratenor spielte. (Einen möglichen Klangeindruck eines solchen „lauten“ Ensembles vermittelt » Hörbsp. ♫ La la hö hö.)

 

Abb. Triumphzug Bläser

Abb. Triumphzug Bläser

„Musica, Schalmeyen, pusaunen krumphörner“, Triumphzug, Holzschnitte 19 und 20 von Hans Burgkmair, 1517–18; koloriert von Joseph Hoeger, 1765. Universitätsbibliothek Graz.

 

Abb. Triumphzug Kantorei

Abb. Triumphzug Kantorei

„Musica Canterey“, Triumphzug, Holzschnitte 25 und 26 von Hans Burgkmair, 1517–18; koloriert von Joseph Hoeger, 1765. Universitätsbibliothek Graz.

 

Genau diese Situation ist im Triumphzug auf dem Wagen der „Musica Canterey“ (» Abb. Triumphzug Kantorei) dargestellt, wo neben den Sängern ein Zinkenspieler und ein Posaunist zu sehen sind, laut dem Bildprogramm sollen hier Augustin Schubinger und Hans Stewdl dargestellt sein. Schubinger war offenbar der Spezialist für das Zinkspiel zu seiner Zeit. Er stammte aus einer Augsburger Stadtpfeiferfamilie, die eine Vielzahl von herausragenden Bläsern hervorbrachte.[24] Augustin dürfte um 1460 geboren worden sein und ist ab 1477 als Stadtpfeifer in Augsburg belegt. Zeitweilig auch in Diensten des Markgrafen von Brandenburg und von Maximilians Vater, Friedrich III., lässt er sich zwischen 1489–93 in Oberitalien und vor allem in Florenz nachweisen, wo ja auch Heinrich Isaac (» G. Henricus Isaac) wirkte. Nach dem Sturz der Medici kehrte Augustin in habsburgische Dienste zurück; auch hier wiederum in einer gewissen Parallele zu Isaac, der wenige Jahre später wieder an Maximilians Hof kam. Er scheint sich erst allmählich auf dem Zink spezialisiert zu haben, wird er am Beginn seiner Karriere noch als „pfeifer“, worunter allgemein ein professioneller Musiker und Spieler von Blasinstrumenten verstanden werden kann, dann als „busauner“, womit bereits eine gewisse Spezialisierung auf Contratenor-Partien angedeutet ist, sowie auch als Lautenist genannt. Dies zeigt, dass Instrumentalmusiker in aller Regel auf mehreren Instrumenten bewandert waren. Im Anstellungsvertrag von Augustins jüngerem Bruder Ulrich beim Salzburger Erzbischof wird 1519 festgehalten, dass er seinem neuen Herrn „mit ribeben, geygen, pusawn, pfeiffen, lawtten und annders instrumentn in der musiken, darauf er etwas khann“ dient.[25] Mit Ausnahme von Tasteninstrumenten sind hier alle denkbaren Blas-, Zupf- und Streichinstrumente aufgeführt, die ganz offensichtlich zu beherrschen waren und wohl auch beherrscht wurden.

[21] Vgl. Jahn 1925, 10 ff., und Kirnbauer 2000, 25 ff.

[22] Kirnbauer 1992, 131.

[23] Nedden 1932/33, 31.

[24] Vgl. Polk 1989aPolk 1989b.

[25] Hintermaier 1993, 38.