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„Musica Rigal vnd possetif“: Tasteninstrumente

Martin Kirnbauer

Abb. Triumphzug Regal

Abb. Triumphzug Regal

„Musica Rigal vnd possetif“, Triumphzug, Holzschnitte 21 und 22 von Hans Burgkmair, 1517–18; koloriert von Joseph Hoeger, 1765. Universitätsbibliothek Graz.

 

Der dritte Musikerwagen des Triumphzugs mit dem Titel „Musica Rigal vnd possetif“ (» Abb. Triumphzug Regal) zeigt nur einen einzigen Musiker: Paul Hofhaimer (1459–1537; » C. Orgeln und Orgelmusik; » I. Hofhaimer) – und als sehr realistisches Detail einen Kalkanten, der die Blasebälge des Orgelpositivs bedient und ohne den jede Orgel bis zur Erfindung der mit einem Elektromotor angetriebenen Luftversorgung stumm bleiben musste. Hinter Hofhaimer sind weitere, in Transportkästen versteckte Tasteninstrumente zu sehen (laut dem Text soll eines ein Regal darstellen, das andere könnte ein Clavicytherium sein – ein Tasteninstrument mit aufrechten Saiten und einer Zupfmechanik wie beim Cembalo). Hofhaimer war seit jungen Jahren den Habsburgern als Organist verbunden, ab 1490 in Diensten Maximilians und sehr oft mit ihm auf Reisen; berühmt ist seine Klage, wie „ayn zigeyner“ umherziehen zu müssen (see » I. SL Life as an Emperor’s musician).[26] Schon aus diesem Grunde waren transportable Tasteninstrumente notwendig, Hofhaimer spielte aber auch auf großen Kirchenorgeln (» Orgel). Im Auftrag Maximilians beaufsichtigte er auch den Bau von großen Orgelwerken, wie etwa in Innsbruck und Salzburg.[27] All diese Tasteninstrumente hatten aber nicht nur eine praktisch-musikalische Funktion, sondern trugen ebenso wie die darauf in seinem Namen spielenden Musiker zu dem Ansehen Maximilians bei. Das zeigt sich beispielsweise im Bericht der Gesandten aus Worms vom Reichstag in Köln 1505, die den Kirchgang Maximilians „mit sengern busunern pfyffern und orgeln und sunderdemselben mit aynem nüwen instrument der music uns gantz frembd kummen, auch demselben keynen nammen gebben“ (mit Sängern, Posaunisten, Pfeifern und Orgel und auch mit einem neuen Musikinstrument, das uns unbekannt war und für das wir keinen Namen kennen) schildern.[28] Es folgt die verwunderte Beschreibung eines Regals mit stark verkürztem Resonanzkörper und Zungenpfeifen, die im Instrumentenkorpus verborgen sind, – und welches so scheinbar ohne Pfeifen spielt. Das Aufsehen, das solche „nüwen instrument“ sowie die darauf spielenden Instrumentalkünstler erregten, gibt exemplarisch auch der Bericht über die Feierlichkeiten der sogenannten Doppelhochzeit 1515 in Wien (» D. Royal Entry) Ausdruck:
„Hat der bischof von Wienn vnd kay. Ma. Capelln mit allerlay seitenspiln das hochambt gesungen / darunter vil newe vnd kunstliche saitenspil die man vor iar nit gehabt als das man Regal nennet vnd das ain Munch an alle pfeiffen erfunden / vnd aines das vogelgesang representiert / welche dan maister Paul organist der künstlichest in allen landen geschlagen hat.“[29]
(Der Bischof von Wien hat mit der kaiserlichen Kapelle mit verschiedenen Instrumenten das Hochamt zelebriert, darunter gab es viele neue und kunstvolle Instrumente (‚saitenspil‘), die es früher noch nicht gab, wie das so genannte Regal ohne jede Orgelpfeifen, das ein Mönch erfunden hat, und ein anderes, das den Vogelsang imitiert, welche der Organist Meister Paul in allen Landen vorgespielt hat.)

Ganz ähnlich ist auch der berühmte Holzschnitt von Hans Weiditz zu verstehen, der Kaiser Maximilian, die Messe hörend zeigt (» Abb. Kaiser Maximilians Kapelle). Hier sitzt, den kaiserlichen Sängern gegenüber, Hofhaimer an einem aufsehenerregenden Orgelinstrument, dem sogenannten „Apfelregal“. Der kuriose Name geht auf das Aussehen der Pfeifen zurück, „dass es wie ein Apfell vffm Stiel stehet“, d.h. über den kurzen Zungenpfeifen (der „Stiel“) steht ein runder Resonanzkörper (der „Apfel“).[30] Die eigentlich recht lauten Regale klingen dadurch weicher und auch leiser – und sehen aufsehenerregend aus.

 

 

[26] Vgl. Brief von Paul Hofhaimer an Joachim Vadian am 14. Mai 1524; Moser 1966, 56.

[27] Vgl. Senn 1954, 38–44.

[28] Boos 1893, 508.

[29] Nowak 1932, 84.

[30] Praetorius 1619, 148.