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Minnesänger, Spruchdichter, Meistersinger

Horst Brunner

Im Unterschied zu den Minnesängern, bei denen es sich überwiegend um adlige, bisweilen fürstliche Dilettanten handelte, waren die meisten Sangspruchdichter Berufsliteraten, die ihren Lebensunterhalt vor allem als Fahrende und Auftragsdichter erwarben. Anders als Walther von der Vogelweide, der in großem Umfang auch Minnelieder schuf und dies als seine wesentliche Aufgabe ansah, beschränkten sie sich mit wenigen Ausnahmen (Tannhäuser, Konrad von Würzburg, Frauenlob) weitgehend auf den Spruchsang. Häufig standen sie in Konkurrenz zueinander, oft auch in Konkurrenz mit anderen Unterhaltungskünstlern. Sie entwickelten ein ausgeprägtes Kunst- und Traditionsbewusstein. Die typische Rolle war die des gelehrten, auf seine Autorität pochenden Lehrers, der vor ein in der Regel adliges Publikum trat. Die zeitübliche Benennung war die als ‚meister‘ (von lat. ‚magister‘), ihre Tätigkeit wurde als ‚meistersanc‘, d. h. ‘Gesang der Meister‘, bezeichnet. Um auf sich aufmerksam zu machen, legten manche Sänger sich auffällige Dichternamen zu, vgl. z.B. Höllenfeuer, Fegfeuer, der Wilde Alexander, Frauenlob, Regenbogen (‚rege den Fiedelbogen‘), auch der Zuname Walthers von der Vogelweide dürfte ein solcher Dichtername sein, kein Herkunftsname. Wohl schon im 14. Jahrhundert knüpften – wie schon angedeutet – die städtischen Meistersinger, stadtbürgerliche Dilettanten, an den professionellen Spruchsang an. Sie verehrten eine Reihe der alten Spruchsänger als Stammväter ihrer Kunst „alte Meister“), benutzten vielfach deren Töne, teilweise auch ihre Texte, schufen neue Lieder zu den vorhandenen Melodien und hielten das, was sie vom Spruchsang adaptierten, in ihren eigenen Singveranstaltungen, den Singschulen, teilweise bis in das späte 18. Jahrhundert am Leben. Terminologisch unterscheidet die heutige Forschung scharf zwischen den professionellen höfischen Spruchsängern und den in Gesellschaften oder Bruderschaften organisierten städtischen Meistersingern.