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Gesang und Tanz in den Neidhartspielen

Andrea Grafetstätter

Die Veilchensuche erfolgt im Gro­­ßen Neid­hartspiel unter der Be­to­nung der hö­fi­schen Hoch­stim­mung: Man ist frölich, wie es auch die entsprechende Lied­tra­­dition vor­sieht: In dem Lied Urlaub hab der winter,[71] das Neidharts Suche nach dem Veilchen und dessen Auf­fin­den cha­rak­terisiert, wird  fröide insgesamt fünf Mal er­wähnt.[72] Die Schwank­lieder und die Neidhartspiele spie­geln dabei das Liedgut des histo­­ri­schen Sängers Neid­hart: Im Lied Urlaub hab der winter singt Neidhart nach dem Fin­den des Veil­­chens „wol laut“ (Müller/Bennnewitz/Spechtler 2007, Bd. 2, 61, c 17, II, 5), im Gro­­ßen Neid­hartspiel will er  unter Ge­sang zu­­rück zur Her­zogin, um die fro­­he Botschaft zu überbringen: „Aller erst wil ich heben an/ Ze sin­­gen das ich gelernt han/ Der Nayt­hart kert wider haim zu der hertzogin/ mit fröli­chem ge­sang“ (Margetts 1982, 37–38, 672–675). Ge­sangs­einlagen sind aus der Sterzinger Spieltradition bekannt, z. B. aus dem Spiel ‚ain zend­precherey‘( Ein Zahnarztbesuch): „Gredt: Sy, mein nachper gratz, thue yns ain liedl singen!/ Es get dir woll so raingkhlach vom mund./ Grätz: Sy, mein gret, wenn Ich nur ain guetz kundt,/ So wollt Ich thuen Nach deim rat./ Gredt: Sy, mein gratz, sing: het Ich ain puelln, als menige hat./ da singt der Grätz“ (Bauer 1982, 153, 306–314). (Grete: Sieh, mein Nachbar Gratz, sing uns ein Liedchen! Es geht dir ja so sauber vom Mund. Grätz: Sieh, meine Grete, wenn ich nur ein gutes könnte, so würde ich tun, was du vorschlägst. Grete: Sieh, mein Grätz, singe: „Hätt‘ ich einen Buhlen, wie manche (einen) hat“. Da singt der Grätz.)

Wie in den Sterzinger Werbespielen wird auch in den Gerichtsspielen musi­ziert, z. B. ‚Rumpolt-Mareth‘-Spiel I (Bauer 1982,  315, 663); ‚Ludus de erhardo‘, (ebda. 326, 345) ‚Juristis‘ (ebda. 368, 376). Wenn im Spiel ‚quatuor filias‘ die einzelnen Töchter verheiratet werden, wird Laute gespielt: „Pater ad lutifi[gu]lum: N., lieber diener meinn,/ nun richt vns zu lieb die lautn dein,/ Das sy mügn tanczen vnd springenn./ So mag In dan des pas gelingenn./ et sic corisant“ (Bauer 1982, 278, 269–274). (Der Vater zum Lautenspieler: N., lieber Diener mein, nun richt‘ uns zu Liebe die Laute dein, damit sie tanzen und springen können, dann wird es ihnen umso besser gelingen. So tanzen sie.) Auch im Spiel ‚der verstossen Rumpold‘ wird gesungen: „Rumpold: mir ist mein hercz so gar gering,/ das ich gleich von rechtn freiden sing./ Da get er singund/ zu den weibern“ (Bauer 1982, 390, 181–184). Auffällig sind Anweisungen und Schlussbemerkungen am Ende von Spielen der Tiroler Spieltradition im Rahmen von musikalischen Inszenierungen, so beim ‚Ludus de erhardo‘: „Mareth: Spilman, pfeyff mir auf zu gefallen!/ Et sic est finis/ Precursor wene possit dicere rithmum/ vltimum in eodem ludo in conclusio: Ir hern, nun seyt wolgemut etc.“ (Bauer 1982, 328, 394–399). (… Und das ist das Ende. Der Precursor kann einen letzten Vers in diesem Spiel zum Beschluss sprechen: Ihr Herren nun seid wohlgemut usw.)

[71] Bei dem Lied Urlaub hab der winter handelt es sich um das in der Nürnberger Papierhandschrift c aus dem 15. Jahrhundert (entstanden zwischen 1461 und 1466, D-B Ms. germ. fol. 779) notierte Veilchenlied (fol. 149r –149v). » B. Das Phänomen „Neidhart“

[72] Müller/Bennnewitz/Spechtler 2007, Bd. 2, 61–63, c 17.