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Ein seltenes Druckwerk zum Stundengebet

David Merlin

Die hier präsentierte Musikquelle ist ein Antiphonar: das Gesangbuch für das Stundengebet der römischen Kirche, das hauptsächlich Antiphonen und Responsorien enthält. Dem darin enthaltenen Hinweis entsprechend wird diese Quelle im Folgenden „Antiphonarius“ (» Antiphonale Pataviense) genannt.

Der Antiphonarius wurde in Wien von Johannes Winterburger im Jahr 1519 gedruckt und stellt eines der spärlichen Musikdruckwerke in Österreich bis 1520 überhaupt dar. Ferner ist der Antiphonarius eines der wenigen gedruckten Antiphonare in ganz Europa bis zum Trienter Konzil sowie die einzige gedruckte Ausgabe dieser Buchgattung in der „Region Österreich“ in dieser Epoche.[1] Darüber hinaus ist Winterburgers Antiphonarius eine der seltenen Quellen für Gesänge des Stundengebets im spätmittelalterlichen Wiener Raum.[2]

 

 

Der Antiphonarius ist in der von Walter Dolch kompilierten Bibliographie von Johannes Winterburger eingetragen.[3] Karlheinz Schlager gab den Antiphonarius als Faksimile-Ausgabe im Jahr 1985 heraus.[4] Der durch Schlagers Faksimile-Ausgabe dem Antiphonarius hinzugefügte Titel „Antiphonale Pataviense“ – der sich später als alleinige Bezeichnung für dieses Antiphonar durchgesetzt hat, im Original aber nicht zu finden ist (siehe unten) und der Komplexität einiger Aspekte dieses Druckwerkes (liturgische Bestimmung, Vermarktungsstrategie) nicht gerecht wird – wurde in einem Beitrag diskutiert, der außerdem die diesbezüglichen übergeordneten Fragen thematisiert.[5] Der Antiphonarius ist in den wichtigsten wissenschaftlichen Datenbanken eingetragen.[6] Ein Digitalisat steht im Internet kostenlos zur Verfügung.[7]

[1] Eine Auflistung der Antiphonarausgaben in ganz Europa bis 1530 befindet sich in Merlin 2012c, S. 269; Erweiterungen in Merlin 2014.

[2] Wie gering die Anzahl an heute erhaltenen Quellen für die Melodien des Stundengebets aus dem 15. und 16. Jahrhundert ist, zeigt sich am Beispiel der online-Datenbank des Projektes Musikalische Quellen des Mittelalters in der Österreichischen Nationalbibliothek (<http://www.cantusplanus.at/de-at/projektphp/index.php>).

[3] Dolch 1913, S. 95 (Nr. 103).

[4] Schlager 1985. Diese Faksimilierung ist schwarz-weiß, merklich verkleinert und mit einem konzisen, aber sehr informativen Vorwort versehen.

[5] Merlin 2012c.

[6] Siehe die online-Datenbanken: VDM. Verzeichnis deutscher Musikfrühdrucke (<http://www.vdm.sbg.ac.at/db/music_prints.php?content=project_introduction&menu=0>; dort mit der Katalognummer: vdm 4; siehe auch Tabelle 1 in vorliegendem Beitrag); VD 16. Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts (<https://opacplus.bib-bvb.de/TouchPoint_touchpoint/start.do?SearchProfile=Altbestand&SearchType=2>; dort mit der Katalognummer: VD16 A 2946).

[7] Digitalisat des Exemplars D-Mbs Res/2 Liturg. 11 e: <http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0008/bsb00080050/images/>.