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Komponiertes Herrscherlob: Isaacs Motette Optime divino … pastor

Stefan Gasch

Eine nicht weniger repräsentative Funktion als in den Gottesdiensten nahm die Hofkapelle natürlich auch in diplomatischen Kontexten und offiziellen Zeremonien anlässlich von Hochzeiten, Todesfällen oder auf Reichstagen ein. In einem solchen Zusammenhang steht etwa Isaacs zweiteilige Motette Optime divino … pastor (» Hörbsp. ♫ Optime pastor). Die Komposition, deren Entstehung in jüngerer Zeit für den Empfang des päpstlichen Nuntius Lorenzo Campeggi in Innsbruck (1514) vermutet wird,[7] ist – einzigartig im Motettenschaffen Isaacs – mit zwei cantus firmus-Melodien (Da pacem, Domine; Sacerdos et pontifex) konzipiert, die in beiden Abschnitten gleichzeitig erklingen. Zusammen mit einem in hochstehendem Humanistenlatein verfassten Text sind die einstimmigen Choralmelodien Ausdrucksebenen für die enge Verflechtung der Sphären der weltlichen (Kaiser) und der geistlichen Macht (Papst), die in der gemeinsamen Bitte um Frieden (gemeint ist die Türkenabwehr) geeint sind. Beide Protagonisten werden im Text nur indirekt benannt (z. B. „medicus“ oder „leo“ = Medicipapst Leo X.; „aquila“ = Kaiser Maximilian I.). Dies erhöhte die Attraktivität des Stücks im Hinblick auf eine Wiederverwendbarkeit, so wie sie als Eröffnungsmotette im » Liber selectarum cantionum von 1520 (» Abb. Liber selectarum cantionum) realisiert ist. Darüber hinaus zeigt sich in einer solch impliziten Huldigung, die zwar Ämter, nicht aber individuelle Personen ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellt, auch eine gegenüber dem 15. Jahrhundert veränderte Haltung hinsichtlich des Herrscherlobs.[8] Indem Isaac zwei cantus firmi verwendet und den mehrstimmigen Satz aus einer kleinteiligen Zweistimmigkeit entwickelt, stellt er sich wohl bewusst in die lange musikalische Tradition politisch motivierter Panegyrik und verleiht der Musik eine archaisch anmutende Klangwirkung. Andererseits kontrastiert diese Art von Klang mit den vollstimmig-pompösen Schlussabschnitten der neueren Zeit. So gelingt dem Komponisten, der bekanntlich sowohl für die Habsburger als auch für die Medici tätig war, in dieser Motette eine Symbiose zwischen tradiertem Herrscherlob und kompositionstechnischer Aktualität.

 

 

[7] Pietschmann 2010.

[8] Zum Herrscherlob im 15. Jahrhundert siehe » D. Albrecht II. und Friedrich III.