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Entwicklung und Verbreitung

Klaus Aringer

Jeder Überblick zur Geschichte von Orgeln, Organisten, Orgelspiel und Orgelmusik im spätmittelalterlichen Österreich ist angesichts der begrenzten Quellenüberlieferung auf den mitteleuropäischen Gesamtkontext angewiesen. Eine spezifisch auf das habsburgische Territorium bezogene Betrachtungsweise des Gegenstandes hat sich in der Musikforschung abseits regionaler Darstellungen (insbesondere zur Geschichte des Orgelbaues) bislang kaum etabliert.[1] Neue Quellenfunde (auch auf dem Gebiet der Region Österreich) und innovative Forschungsansätze haben unser Bild von der Frühgeschichte der Orgelmusik, die hier für die tasteninstrumentale Kunst insgesamt steht, in den letzten Jahren wesentlich verändert. Die vom 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts vollzogenen epochalen Umwälzungen im Orgelbau und in der Orgelmusik sind indes bereits seit vielen Jahrhunderten im Bewusstsein, so dass Michael Praetorius 1619 mit Recht behaupten konnte, keine Kunst sei in der Vergangenheit „so hoch gestiegen als eben die Orgelkunst“.[2] Neben den Kirchenorgeln, zu denen auch normalerweise ein im Chor aufgestelltes Positiv gehören konnte (» E. Musik im Gottesdienst; » Abb. Maria am Gestade) verdankte die Tastenmusik ihren Aufstieg im 15. Jahrhundert ganz wesentlich den Kleinorgeln (Portativ, Regal), die im Kontext einer humanistisch geprägten privaten Musikübung neben den besaiteten Tasteninstrumenten eine zentrale Stellung einnahmen. Diese kleinen Orgeln waren als leise Instrumente einem anderen Kunstbegriff zugeordnet[3] und dürften die Annäherung der tradierten usuellen Tastenmusik an kunstvolle Komposition wesentlich angeregt und beschleunigt haben. Kleinere Orgeln wurden selbstverständlich auch in der Kirche oder zu in anderen Kontexten aufgeführter geistlicher Musik verwendet (» Abb. Engel Zwickenberg Orgelportativ). In der Region Österreich wie anderswo sind die treibenden Impulse für die Verbreitung und Entwicklung der Tastenmusik zunächst wohl vor allem von den Klöstern[4] ausgegangen, erst später kamen Adel und Hof sowie in geringerem Ausmaß als im deutschen Südwesten auch die Städte hinzu.[5]

[1] Dies belegt etwa das Standardwerk von Apel 1967, dessen geographische Gliederung auf den deutschen Sprachraum fixiert ist und dementsprechend alle österreichischen Vertreter der Tastenmusik unter der Rubrik „süddeutsch“ subsumiert.

[2] Praetorius 1619, 85.

[3] Edler 1997, 12.

[4] Salmen 1978, 22.

[5] Klotz 1986, 7–123; Edler 1997, 22. Gut dokumentiert sind Orgelbau und Anstellungen von Organisten z. B. in Bozen (» E. Bozen).