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Ein akustischer Bilderbogen

Marc Lewon

Neben der Funktion einer Art erweiterten Glossars für die Hörbeispiele erfüllt das Instrumentenmuseum auch noch weitere Zwecke. Es steckt zum einen als „akustischer Bilderbogen“ einen Klangrahmen für die Musik des ausgehenden Mittelalters ab, der von privater Musikausübung von Bürgertum und Adel (» I. Höfische Privatsphäre) bis hin zur repräsentativen Musikdemonstration im öffentlichen Raum (» D. Royal Entry; » E. Städtisches Musikleben) reicht. Bestimmte Instrumentengattungen wurden dabei häufig zu Ensembles zusammengestellt. Neben der bekannten Trennung von alta (lauten) und bassa (leisen) Instrumenten gab es gerade bei letzteren bevorzugte Gruppierungen, z. B. das Vielle- und das Lautenduo. Im vorliegenden Museum finden sich Instrumente, die das ganze Spätmittealter hindurch in ganz Mittel- und Westeuropa anzutreffen waren (wie die Blasinstrumente der Alta Capella und die Vielle), aber auch solche von eher regionaler Bedeutung (wie das Dulcemelos, das im österreichischen Raum überdurchschnittlich häufig nachweisbar ist) oder solche, die mit bestimmten Repertoires und Milieus in Verbindung gebracht werden können.

Ein bedeutender Teil der Klangwirkung von Musikstücken hängt vom verwendeten Instrumentarium ab. Umso schwerer wiegt die Feststellung, dass für praktisch keines der aufgenommenen Hörbeispiele eine eindeutige Instrumentierungsangabe überliefert ist. Die Besetzungsentscheidungen des jeweiligen Ensembles haben daher erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung einer Komposition durch den Hörer. Für die Alta Capella ist bekannt, dass sie neben Signal- und Tanzmusik auch Repertoires spielte, die aus dem Bereich des polyphonen Liedes stammten. Für die Frage, welches Instrument dabei welche Funktion übernahm, hat sich als plausibelste Lösung herausgestellt, den kompositorischen Kern von Cantus und Tenor mit zwei Instrumenten einer Familie zu besetzen, namentlich Schalmei und Pommer, um eine optimale Klangverschmelzung zu erlangen. Zusätzliche Stimmen können von weiteren gleichen Instrumenten oder von der Zugtrompete (oder später) der Posaune übernommen werden.

Für die Begleitung von Einstimmigkeit galt durch das gesamte Mittelalter hindurch die Vielle als das geeignetste Instrument. Ihr Einsatz aber impliziert eine ganze Klangwelt, die wir nur durch Indizien erschließen und der wir uns nur durch praktisches Experimentieren annähern können.[3] Die oft sehr flachen Stege in den Abbildungen legen nahe, dass häufig oder sogar in der Regel mehrere Saiten gleichzeitig angestrichen wurden – eine Technik, die schon Hieronymus de Moravia andeutete und die im Hinblick auf die spätere Entwicklung des Instruments zur (akkordischen) Lira da braccio plausibel erscheint. Der Einsatz von Instrumenten zur Begleitung von Einstimmigkeit lässt die Lieder in ganz anderem Gewand erklingen als sie notiert sind und die Möglichkeiten der Begleitinstrumente, denen im Museum nachgespürt werden kann (neben der Vielle sind das v. a. Harfe und Laute), bestimmen die klangliche Wirkung des Liedes. Durch das Instrumentenmuseum sollen die Benutzer daher auch in die Lage versetzt werden, Instrumentierungsentscheidungen der Musiker besser verstehen und an einzelnen Instrumenten nachvollziehen zu können.