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Die Zusammenstellung der Instrumente

Marc Lewon

Parallel zur Aufnahme der Hörbeispiele wurde von den beteiligten Ensembles Leones und Les haulz et les bas der Kern des vorliegenden Instrumentenmuseums angelegt. Ziel war es, den Benutzern die Möglichkeit zu geben, die in den Aufnahmen verwendeten Instrumente sowie deren Klangeigenschaften und Möglichkeiten außerhalb des Kontextes einer Ensembleeinspielung kennenzulernen. Sowohl die Hörbeispiele als auch die Einträge des Instrumentenmuseums sind gegenseitig solchermaßen verlinkt, dass ein bestimmtes Instrument aus einem Hörbeispiel zur Einzelbetrachtung herausgegriffen oder – anders herum – ein einzelnes Instrument in verschiedenen Ensemblebesetzungen verfolgt und nachgehört werden kann. Da die Aufnahmen der beiden Ensembles zwar eine ganze Reihe wichtiger Instrumente der Epoche enthalten, aber bei weitem nicht das gesamte Spektrum abdecken, wurden zur Ergänzung des Instrumentenmuseums weitere Beispiele aus anderen Aufnahmen hinzugezogen. So sind die in der Ikonographie (vgl. z. B. » C. Engelsmusik; » I. Instrumentalkünstler bei Hofe) der Zeit omnipräsenten Instrumente der Alta Capella – also der „lauten“ Instrumentalensembles bestehend u. a. aus Schalmei, Pommer, Zugtrompete und Posaune in verschiedenen Kombinationen – in Aufnahmen von Les haulz et les bas zu hören: vgl. z. B. » Hörbsp. ♫ La la hö hö; » Hörbsp. ♫ Tandernaken; » Hörbsp. ♫ O rosa bella (vierstimmig), sowie in einigen Einspielungen des Basel Domenico Projects: vgl. z. B. » Hörbsp. ♫ Fortunosa (Seigneur Lyon); » Hörbsp. ♫ Reale & Saltarello. Die „leisen“ Instrumentengattungen, die sowohl solistisch als auch in verschiedenen Bassa Capella-Kombinationen eingesetzt wurden, erklingen v. a. in Einspielungen von Ensemble Leones: vgl. z. B. » Hörbsp. ♫ Freu dich, du weltlich creatúr; » Hörbsp. ♫ Soyt tart tempre) sowie in aus anderen Aufnahmen hinzugezogenen Hörbeispielen, unter anderem von La Mouvance (vgl. z. B. » Hörbsp. ♫ Maria, keusche muter zart, La Mouvance) und dem Basel Domenico Project (» Hörbsp. ♫ Belreguardo). Dazu gehören in erster Linie Vielle (oder: Fidel), Laute, Quinterne, Harfe, Dulcemelos (eine spezielle Form des spätmittelalterlichen Hackbretts) und Traversflöte.

Einigen besonderen Instrumenten, die in der Ikonographie immer wieder auftauchen, wurde ebenfalls Platz eingeräumt, darunter der für Tanzmusik dieser Epoche äußerst bedeutende Kombination von Einhandflöte und Trommel, die von einem Musiker alleine bedient wurde, sowie der Dudelsack, der häufig auch in Alta Capella-Kombinationen gespielt wurde. Stellvertretend für Instrumente, die Sebastian Virdung um 1511 als „dorliche instrumenta“ (närrische Instrumente) bezeichnete und die „eyn ietlicher paur mag kennen“[1] und die solche Lärm-, Tierlaut- und Signalinstrumente wie Schellen, Jägerhorn, Brummtopf und Vogelpfeifen umfassten, ist hier die in Abbildungen häufig anzutreffende Maultrommel aufgenommen worden.

Zudem finden sich im Imstrumentenmuseum zwei Instrumente des aufstrebenden Humanismus in Italien, dessen Musizierpraxis im österreichischen Raum und besonders in solchen Zentren wie Innsbruck seit dem späten 15. Jahrhundert bekannt war: die Lira da braccio (eine Renaissanceadaption der mittelalterlichen Vielle, auf der akkordische Begleitungen gespielt werden konnten und die auf der von Albrecht Dürer um 1508 bemalten „Celtis-Kiste“ in den Händen von Apoll zu sehen ist) und die Cetra (eines der wenigen Metallsaiteninstrumente dieser Zeit und ebenfalls ein frühes „Orpheus-Instrument“).

Einen bedeutenden Raum in der Ikonographie und besonders auch den erhaltenen Quellen mit Instrumentalmusik nehmen die Tasteninstrumente ein. (» C. Orgeln und Orgelmusik; » C. Musik für Tasteninstrumente) Die meisten erhaltenen Tabulaturen dieser Zeit sind für Tasteninstrumente geschrieben worden und setzten die Maßstäbe für Bearbeitungen auf anderen Instrumenten. Stellvertretend hierfür stehen im Instrumentenmuseum die Orgel, das wichtigste Tasteninstrument für den öffentlichen Gebrauch, und das Clavicytherium, eine aufrecht stehende Version des Clavicymbalums und wie letzteres ein Instrument für den kleinen Kreis.

Die Ikonographie und zeitgenössische Berichte enthalten noch eine Reihe weiterer, wichtiger Instrumente, die bislang nicht in das Instrumentenmuseum eingegangen sind. Grund dafür ist in den meisten Fällen, dass sie nicht Teil der Projekteinspielungen waren. In wenigen Fällen, wozu v. a. das Psalterium zählt, gibt es bislang außerdem keine nennenswerte, neuzeitliche Tradition zur Rekonstruktion von Instrumenten und Spieltechniken. Ferner fehlen noch die Blockflöte (die ab dem 14. Jahrhundert Eingang in die Ikonographie findet und sowohl solistisch als auch im Ensemble, meist aus mehreren Blockflöten, auftritt)[2], sowie einige weitere Tasteninstrumente, darunter das Portativ (oder: Organetto, die tragbare Kleinorgel), das Orgelpositiv, das Clavicymbalum (von Hermann Poll (» G. Hermann Poll) um 1397 erfunden) und das Clavichord. Im Zusammenhang mit Tasteninstrumenten wird vereinzelt auch das Schachtbrett (frz. eschaquier, engl. chekker) erwähnt, vermutlich eine Form des Psalteriums, das auf dem Tisch liegend mit Federkielen gespielt wurde. Ebenfalls eine Lacuna im vorliegenden Museum ist der Bereich der Perkussionsinstrumente (Trommeln, Päuklein, Rahmentrommeln, Glocken, etc.), die hauptsächlich für Militär- und Tanzmusik sowie für Prozessionen relevant waren, also Repertoires, für die aus dem Spätmittelalter nur wenige musikalische Quellen erhalten sind. Zwar wurde das Instrumentenmuseum nicht als enzyklopädisch erschöpfendes Kompendium angelegt, dennoch sollen zukünftige Ergänzungen einzelne der vorgenannten Instrumente enthalten.

[1] » Virdung, Sebastian: Musica getutscht vnd außgezogen, Basel 1511, fol. D3v–D4r.

[2] Siehe dazu: Miller, Tobie: The Medieval Recorder: a Performer’s Journey, in: Glareana. Nachrichten der Gesellschaft der Freunde alter Musikinstrumente 62/1 (2013), S. 4–39, und Myers, Herbert W.: Flutes, in: A Performer’s Guide to Medieval Music, hrsg. von Ross W. Duffin, Bloomington 2000, S. 376–383.