Sie sind hier

Analyse des Spiels

Christian Neuhuber

Die Märtyrerlegende kombiniert zwei dreiteilige Schemata: zum einen das Legendenschema von Konfrontation, Glaubensbeharren trotz Folter und Martyrium mit Mirakel, zum anderen das Schema: sündhaftes Leben, Umkehr durch göttliches Wirken und Hinrichtung. Auch im Dorothea-Spiel finden wir diese Struktur, zumindest deutet im erhaltenen Teil alles darauf hin. Es beginnt mit der moralisierenden Einleitung des Praecursors, der Aufforderung an alle, ein Kirchenlied gemeinsam zu singen, und der erzählten Vorgeschichte. Die dramatische Handlung weicht von der Legende u. a. in der Gestaltung der Schwestern ab, deren Glaubensabfall vor den Folterungen in Szene gesetzt wird, um ihre Wiederbekehrung und ihren Märtyrertod stärker zu akzentuieren. Der Text bricht aber schon etwa bei seiner Hälfte ab, unmittelbar nach der Zerstörung des Götzenbilds und den folgenden Bekehrungen. Die Figurenkonstellation verbindet Rollen aus der Legende mit eigenen Erfindungen: Den zentralen Gestalten Fabricius und Dorothea stehen ein Dämon bzw. ein Engel bei. Dem in der Legende nicht vorgebildeten Gefolge des Statthalters gehören sein Hauptmann Grim und der Herold Ewer sowie die Folterknechte Notopolt und Tarant an, stumpfe, gierige Gewaltmenschen, die Dorothea vor der Ölfolter die Kleider vom Leib reißen. Zu den 15 Sprechrollen zählen neben dem Prologisten u. a. noch die Schwestern sowie vier Heiden; Theophil wäre im zweiten Teil aufgetreten. Statisten stellen Soldaten, Heiden, Engel und Volk dar.