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Drehleier

Tobie Miller
Michaela Wiesbeck
Durch Barbarei, Arabia
Basel?, ca. 1432
fol. 18v-19r

Die Drehleier ist ein mechanisiertes Streichinstrument, bei der ein oder mehrere Saiten über ein von einer Kurbel angetriebenes Rad verlaufen, das die Funktion des Bogens übernimmt und einen ununterbrochen durchgehenden Ton ermöglicht. Zur Melodiesaite, die über eine Tastatur wie ein Monochord abgegriffen werden kann, treten ein oder mehrere Bordunsaiten hinzu, die – wie bei den Bordunpfeifen des Dudelsacks – einen unveränderlichen Begleitton erzeugen. Dadurch vereint es Prinzipien von drei bedeutenden Instrumenten der Zeit in eines: Das Monochord, den Bogen (von der Vielle) und die Tastatur (von der Orgel). Das Instrument ist ab dem 11. Jahrhundert in Abbildungen zu finden und weist ebenso viele Formen wie Namen auf: Gerade in der Frühzeit waren Drehleiern üblich, die von zwei Spielern betätigt wurden, wobei einer die Kurbel betätigte und der andere die Tastatur (Organistrum), während beide dazu vielleicht sangen. Es wurde in dieser Form auch für den Musikunterricht verwendet. Ab dem 12. Jahrhundert treten Drehleiern verstärkt auf, die von einer Person alleine gespielt werden. Darunter sind neben vielleförmigen auch kastenförmige zu finden, bei denen das Innenleben auf Abbildungen vollständig verdeckt ist und weniger Rückschlüsse auf die Konstruktion zulässt (Sinfonia). Spätestens ab dem 14. Jahrhundert kann man auch die Schnarrsaite finden, die für den Klang der traditionellen Drehleier heute noch so charakteristisch ist. Dabei verläuft eine der Bordunsaiten über einen flexibel auf der Decke aufliegenden Steg, der durch starkes Andrehen des Rades so in Schwingung versetzt wird, dass er ein perkussives Geräusch erzeugt. Dadurch kann der Spieler zusätzlich zu Melodie und Bordunbegleitung auch noch einen Rhythmus hervorbringen. Die Tastaturen mittelalterlicher Drehleiern waren wie die Harfe und viele andere Saiteninstrumente vermutlich weitgehend diatonisch, wobei – wie bei der Harfe – eventuell die als diatonisch geltenden Halbtonpositionen von b-fa und b-mi in die Skala eingereiht waren.

Marc Lewon

Referenzen

Hörbeispiele