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O filii ecclesie / O liben kint der cristenheit

Agnieszka Budzińska-Bennett (Gesang, Drehleier), Kelly Landerkin (Gesang), Marc Lewon (Quinterne)
A-Iu Cod. 457, fol. 102r
Codex 457. Musik des Mittelalters aus Tirol
Musikmuseum 30
mit freundlicher Genehmigung des Labels
Wolfgang Praxmarer

Die hochmittelalterliche Marienklage O filii ecclesie gehörte zum Ritus der Finstermette (Karfreitagsliturgie, » A. Osterfeier im Kloster) und war im 15. Jahrhundert als mehrstrophige Cantio verbreitet. Zusammen mit der deutschen Übersetzung O liben kind der cristenheit erscheint sie häufig in dramatischer Form, so z.B. in der Erlauer Marienklage (Kärnten, 15. Jahrhundert) und in der Bozner/Sterzinger Spielfassung Planctus beatae Mariae cum Prophetis (1511?, » H. Die Musik der Marienklage, » Notenbsp. O liebe kind). In der Handschrift A-Iu Cod. 457 steht eine mehrstrophige und zweisprachige Fassung des 14. Jahrhunderts. Ein Kleriker in Frauenkleidern trug den Gesang vor, meist zwischen lateinischen Strophen und deutscher Übersetzung alternierend wie in der eingespielten Fassung. Die Texte sind zum Teil Ausdruck von Judenhass (» J. Aggressionen und Ängste, Kap. Passions- und Osterspiele).

Reinhard Strohm