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Schlaglicht: Dienstregelung der Salzburger Nachtwächter, 1503

Reinhard Strohm

 

Ordnung und Schray der wachter hie zu Salltzburg

Vermerckt die schray und was daneben durch meinen Herrn Burgermaister und ainen ersamen Rate der stat Salltz-/burg den hernachgeschryben Wachtern Michel althanner Michel larnhawser Thoman wendlinger Jörg/Reitpacher Rubrecht prugkmüllner Gilg gassner Lendl sacktrager Rubrecht wolgemut taschner zuthun/aufgeladen und bevolhen ist//

Von erst So ist aufgeladen das vier aus In [ihnen] vor miternacht und die anndern vier nach miternacht die/Schray an den hernachbegriffen ennden thun sollen und an heint [heutigen] data das ist an Sonntag zu nacht Reminiscere[1]/ in der vasten Anno etc. Im dritten Jare Anfachen [anfangen]//  

Nämlichen Im winter die vier so vor mitternacht geenn Zwischen der sybennden und achten stund vor der/ dachawer Thür sitzen und so die glocken newne geschlagen so sollen die zwen den Ersten schray vor der dachawer haws thun der ain die ur [Uhr] wievil es geschlagen und der annder sein gesell Schreyen, huet des fewrs [hütet das Feuer]/den andern vor dem lawbinger Den driten vor der puchaimerin haws Den virten vor des Sawrer haws, das/man den in die pheyfergassen hör Den fünfften vor wolfganngen painthners [?] haws, das man den gen Chiemse[2]/hör Den Sechsten vor dem thumbhoff [Domhof] bey der kewtschacher haws Den siebenten vor des überackers haws/Den achten am Aschhof gen der goldgassen //

Die anndern Zwen sollen gleichermassen wie die ytzgemelten [zuvor erwähnten] schreien und anfachen Den ersten Schray vor/Den andern vor ulrichen Ellssnhaimers haws am habermarckt, Den driten vor dem/Rathaws Den vierdten In der Tragassen vor der fröschlmoser gässl, Den fünfften bey dem Gassl/als man In die Czell get Den Sechsten vor des Lambacher haws einnhalb [diesseits] der prugken Den Syben/den vor sannd Annderkirchen Den achten bey dem Osterthor.//

Dasselbe also all stund [jede Stunde] hintz das die glogken zwelfe hat geslagen mit vleys [Fleiß] thun und nit abgen [fortgehen] es seien/dann die anndern vier so nach miternacht geen all da //

Dieselben vier so nach miternacht gen solln geleicher massen und an den ennden wie Obstet [oben steht] solch schray/und ur auffrueffen thun und volbringen unnts [bis] das man tagmess lewtt [läutet]//

Im Sumer sollen sy umb die newnt stund vor der dachawer haws sein und umb die zehennt stund anfachen/zu gen und schreien inmassen wie vor beschaiden [mitgeteilt] ist ///

(fol. 30v:)

Ob aber ainer oder mer aus diesen auf dieselb zwelft stund nit da war so dann sollen/die anndern dasselbig von stundan [sofort] desselben tags dem burgermaister anbringen, wo sy/aber das nit taten So sollen sy so wol als dieselben darumben gestrafft werden //

Vermerckt die Thürl darzu die Obgemelten wachter alle nacht mit vleys sehen sollen/Item zu dem Türl bey dem fröschlmoser Zu dem Trennckthor Zum Thürl bey dem/Morawer Zu dem Thürl bey dem lawbinger //

Es soll auch kain wachter on willen unnd wissen ains burgermaisters ausgen //

Es soll auch kainer zwen schray thun, damit er seinen geselln wollt ubertragen //

Item Ob ain fewr [Feuer] Rumor oder annders auskam, das sollen sy von stunddan [sofort] richter und/burgermaister anbringen Und fewrshalben ain gassen auf die annder abgeen und schreyen/Redt, redt, es prynt, und sagen an welchem ennde //

Item wann sy ain fewr verslaffen und nit zu rechter Zeit beschreien so soll man sy darumben/ straffen //

Desgleichen ob sy icht lewt [irgendwelche Leute] umb die läden oder ungewondlichen weg gen sahen das von/stundan Richter und Burgermaister anbringen //

Es soll auch ainem ydlichen [jeden] wachter alle yar zu Solld für all sachen syben reinisch/güldein[3] geben werden (und nichtmer)[4] ///

Kommentar:

Die je acht benannten Orte des Ausrufens mussten stündlich („all stund“) angelaufen werden. Die Zeit der Tagmesse (Frühmesse) war wie üblich um 7 Uhr morgens, somit war die Dienstzeit der nach Mitternacht tätigen Wächter länger, während der Sold für jeden gleich war; wahrscheinlich konnten die beiden Gruppen sich von Zeit zu Zeit austauschen.

Die Regelung der Rufe (Schreie) der städtischen Wächter fällt in eine Periode relativ freier Selbstverwaltung der Salzburger Bürgerschaft, die von Kaiser Friedrich III. 1480-1482 in vierzehn Privilegien zugesichert worden war und die nach wachsenden Konflikten zwischen den Stadträten und dem Landesherrn, Erzbischof Matthäus Lang, im Jahre 1511 mit dem bewaffneten Eingreifen des Letzteren beendet wurde. Aber auch während dieser kurzen Periode einer gleichsam reichsstädtischen Autonomie war z.B. der in der Urkunde genannte Stadtrichter vom Erzbischof ernannt und gleichberechtigt mit dem Bürgermeister für öffentliche Sicherheit zuständig.

Die Urkunde erwähnt nicht die anderen öffentlichen Signalformen wie das Glockenläuten und die Turmtrompeter (Turner), die in den Rechnungen der Stadtkämmerei seit 1486 und im Stadtbuch des Christian Reuter (1498) gelegentlich genannt sind.[5]

[1] 12. März 1503.

[2] Chiemseehof.

[3] Um 1470 war 1 Rheinischer Gulden (fl.) = 4 lb. 10 s. (oder Kreuzer).

[4] (): Nachtrag in anderer Tinte, wohl von derselben Hand.

[5] Zu diesen und weiteren Daten der Salzburger Stadtbeamten um 1500 vgl. Kramml 2003.