Sie sind hier

Eine Gürteltasche mit Musik

Birgit Lodes

Wilhelm IV., Herzog von Bayern, reiste zum Innsbrucker Treffen offenbar mit einem musikalischen Gastgeschenk an. Erhalten ist nämlich eine seidene und mit Goldborte verzierte Gürteltasche, die zwei mit Gold-, Silber- und Seidenfäden bestickte und mit Perlen besetzte Stimmbuchsets enthält – eine kunsthandwerkliche Kostbarkeit von herausragendem Rang.[6]

 

 

Die gestickten Stimmbücher überliefern zwei nicht-autorisierte mehrstimmige Kompositionen: ein vierstimmiges Tenorlied mit dem Text Aus guetem Grund, als dessen Komponist aus Konkordanzen Ludwig Senfl bekannt ist, sowie eine sechsstimmige Motette mit dem Text Martia terque quater, das meinen Forschungen zufolge ebenfalls Senfl zugeschrieben werden kann.[7]

Das Lied mit Akrostichon ANNa in kunstvoller „Hofweisen“-Gestaltung war offenbar als Gabe für die Gastgeberin Königin Anna von Böhmen und Ungarn gedacht. Zudem passen auch die Worte des Liedes, so toposhaft sie scheinen mögen, hervorragend zu der jungen Königin: Ihre Schönheit, Anmut und Güte wurde – durchaus im Unterschied zu anderen Herrscherinnen – allgemein gerühmt,[8] sie liebte offenbar Musik in besonderem Maße, unterhielt in ihrem Hofstaat eigene Musiker und legte in der Erziehung ihrer Kinder größten Wert auf eine musikalische Ausbildung; darüber hinaus wurden auch repräsentative Musikhandschriften für sie hergestellt.[9]

Die außerordentlich kunstvoll und symbolisch als Gesamtkunstwerk gestaltete Motette war offenbar für Kaiser Karl V. bestimmt.

 

 

[Fortsetzung folgt.]

[6] Diese ungewöhnliche Musikaufzeichnung befand sich seit Ende des 16. Jahrhunderts, wohl als Erbe König Ferdinands I., in der berühmten Kunst- und Wunderkammer Erzherzog Ferdinands II. und wird heute in der Sammlung Schloss Ambras bei Innsbruck (KK 5369–5377) als Dauerleihgabe der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums Wien verwahrt; Faksimile, Kommentar und Übertragung der gestickten Stimmbücher in Imperiale Musik von Schloß Ambras aus der Regierungszeit Karls V. und Ferdinands I., hrsg. von Walter Salmen, Innsbruck 1992. Das gesamte Kanonstimmbuch ist digital einsehbar unter http://bilddatenbank.khm.at/viewArtefact?id=91377&image=KK_5370_1.jpg).

[7] Birgit Lodes, „Translatio panegyricorum. Eine Begrüßungsmotette Senfls (?) für Kaiser Karl V. (1530)“, in: Senfl Studien 2, hrsg. von Stefan Gasch und Sonja Tröster (Wiener Forum für Ältere Musikgeschichte 7), Tutzing 2013, S. 189–255; ebenda (S. 241–254) auch eine Übertragung des gesamten Motette.

[8] Vgl. dazu Antonio de Beatis’ Vergleich der beiden in Innsbruck lebenden zukünftigen „Königinnen“ Anna und Maria (von Ungarn): „Die eine der Königinnen mit Namen Anna, […] 14 oder 15 Jahre alt, soll Ferdinand, den Bruder des katholischen Königs, heiraten; sie ist sehr schön und heiter, hat feurige Augen und so frische Gesichtsfarbe, daß sie ganz von Milch und Blut zu sein scheint. […] Die andere Königin, […] Maria mit Namen, ist dem König von Ungarn versprochen. Sie mag 10–11 Jahre alt sein, hat brünette Hautfarbe und ist nach meinem Geschmack nicht sehr graziös.“ Antonio de Beatis, Die Reise des Kardinals Luigi d’Aragona durch Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Oberitalien 1517–1518, hrsg. von Ludwig Pastor, Freiburg i.Br. 1905, S. 31.

[9] Genaueres zu den Instrumentalisten bei Othmar Wessely, Arnold von Bruck. Leben und Umwelt. Mit Beiträgen zur Musikgeschichte des Hofes Ferdinands I. von 1527 bis 1545, Habilitationsschrift (masch.) Universität Wien 1959, bes. S. 259–274; zur Zeit vor der Eheschließung 1521, siehe Walter Senn, Musik und Theater am Hof zu Innsbruck. Geschichte der Hofkapelle vom 15. Jahrhundert bis zu deren Auflösung im Jahre 1748, Innsbruck 1954S. 46f.; zur musikalischen Erziehung der Kinder, siehe zusammenfassend Linda Maria Koldau, Frauen – Musik – Kultur. Ein Handbuch zum deutschen Sprachgebiet der Frühen Neuzeit, Köln u.a. 2005, S. 57–59; herausragend unter den (überwiegend verschollenen) Musikhandschriften sind die beziehungsreich zusammengestellten Stimmbücher aus der Werkstatt des Petrus Alamire (I-Rvat Ms. Pal. lat. 1976–1979), vgl. dazu den Eintrag von Herbert Kellman in The Treasury of Petrus Alamire. Music and Art in Flemish Court Manuscripts 1500–1535, hrsg. von dems., Gent/Amsterdam 1999, S. 130–132.