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Ein Musiker in Flandern, Italien und Österreich

Stefan Gasch

Henricus Isaac gehört gemeinsam mit Josquin Desprez, Jacob Obrecht und Pierre de la Rue zu jenen franko-flämischen Komponisten, die um 1500 die Musik der europäischen Renaissance maßgeblich beeinflussten. Er wurde um 1450 in Flandern oder Brabant geboren. Er arbeitete für die Höfe führender Herrscher des 15. und 16. Jahrhunderts. Ein erster biographischer Beleg in Form eines Zahlungsdokumentes datiert vom 15. September 1484 und zeigt ihn im Umfeld Herzog Sigismunds von Tirol (» I. Humanisten). Bereits im Juli 1485 ist Isaac in Florenz nachweisbar, einer Stadt, der er sein Leben lang eng verbunden bleiben sollte. Neben seinen Anstellungen als Sänger (Baptisterium von S. Maria del Fiore; SS. Annunziata), war er auch in das städtische Sozialleben seiner Wahlheimat intensiv eingebunden: Er pflegte Kontakte zu bekannten Musikern dieser Stadt, trug zum öffentlichen Musikleben bei, zahlte regelmäßig Geld an verschiedene kirchliche Einrichtungen (darunter S. Barbara) und besaß ein eigenes Haus. Isaac genoss in umfangreichem Maß das Mäzenatentum der wichtigsten Familie in Florenz, der Medici – sowohl vor ihrem Sturz (1494) als auch nach ihrem Wiederaufstieg (1512). Er war Teil jenes Netzwerkes von Künstlern und Musikern, mit denen sich Lorenzo de’ Medici umgab, wurde wahrscheinlich auf Betreiben Lorenzos mit Bartolomea Bello verheiratet und Giovanni de’ Medici, der Sohn Lorenzos, gewährte ihm als Papst Leo X. 1514 eine Pension.

Der Tod Lorenzo de’ Medicis (1492) und der Sturz der Medici (1494) zwangen Isaac dazu, Florenz zu verlassen. Mittels eines Schreibens des nachmaligen Kaisers Maximilian I. vom 13. November 1496 wurde er zusammen mit seiner Frau nach Wien beordert, jedoch erst am 3. April 1497 offiziell in den Dienst aufgenommen – dieses Mal allerdings nicht als Sänger, sondern als „componist“. Obwohl davon auszugehen ist, dass Isaac nicht ständig an der Hofkapelle präsent sein musste, hielt er sich doch immer wieder in der Nähe von Wien auf, wie es der Eintrag im Buch der Gebetsbruderschaft des hl. Hippolyt belegt (» Abb. Isaac und St. Pölten).

 

Abb. Isaac und St. Pölten

Abb. Isaac und St. Pölten

Das Necrologium Sanhippolytanum (Diözesanarchiv St. Pölten, » A-SP Hs. 55), ist ein Mitgliederbuch der Gebetsbruderschaft des hl. Hippolyt am Augustiner-Chorherrenstift St. Pölten, das vom 13. bis zum 17. Jahrhundert im Gebrauch war. Die lebenden und verstorbenen Mitglieder sind darin mit ihren Stiftungen an ihren Gedenktagen kalendarisch aufgelistet. Die meisten genannten Personen waren Geistliche österreichischer Stifte und Klöster sowie adlige Gönner. Zum Festtag des hl. Severinus (confessor) erscheint „Magister hainricus ysaac Cesaree Maiestatis Archimusicus confrater noster“ (Magister Hainricus Isaac, leitender Musicus der kaiserlichen Majestät, unser Mitbruder). Wahrscheinlich hatte Isaac um 1508–1515, als dieser Eintrag geschrieben wurde, der Bruderschaft einen Mitgliedsbeitrag entrichtet (die folgende „18“ gehört nicht zum Eintrag).
Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Diözesanarchivs St. Pölten.